Die günstigste Übersetzung – gut und billig?
Warum sollte man nicht den billigsten Übersetzer nehmen?
Verschiedene Übersetzerstimmen mischen sich. Erst nehmen sie den billigsten Übersetzer und dann wollen sie auch noch, dass ich den Mist von anderen hinterher wieder aufräume. Dazu habe ich aber gar keine Lust.
Allerdings, so wirft eine Übersetzerin ein, ist ein supergünstiger Übersetzungspreis auch verführerisch. Manchmal scheitern Projekte, des Geldes wegen.
Manche Kunden haben aber auch wirklich keine Vorstellungen von Übersetzungen und Preisen. Für sie ist die Webseite ein Strohhalm. Sie versuchen sich um Abituraufgaben herum zu mogeln. Das sind verzweifelte Kinder und deren Eltern, denen muss man höflich erklären, dass die Seite für professionelle Anwender ist. Der Jobmoderator gibt zu: Schon häufig musste ich Anfragen ablehnen, weil die Preisvorstellungen schlicht unrealistisch waren. Außerdem bin ich der Meinung, dass die Kinder beim Lesen fremdsprachiger Bücher viel dazu lernen. Nein, eine Hausaufgabenhilfe sind wir nicht.
Die Übersetzer nicken zustimmend. Es geht also um professionelle Übersetzungen, ergänzt der Jobmoderator, und die müssen ebenso fair bezahlt werden. Schließlich bieten wir schon faire Preise fürs Übersetzen. Wie billig sollen wir denn noch arbeiten?
Die Jobmoderatorin kommt kaum zu Wort: Ich bekomme hinterher Schelte wegen zu niedriger Preise. Und zwar von den Übersetzungskunden. Die Kunden wollen gar nicht Billigpreise, sie wollen Übersetzungen zu vernünftigen Preisen. Sie verstehen nicht, wie Qualität und Dumpingpreise zusammengehen sollen. Sie selbst machen Werbeaktionen ein, zwei Mal im Jahr, aber dauernd wären die Preise ruinös. Was die Kunden wollen, sind gute Übersetzungen zu guten Preisen. Billige Übersetzungen wirken eher abschreckend. Sie wissen dann gar nicht, was sie machen sollen.
Manchmal fragen sie zurück, ob die Übersetzung auch wirklich zu dem Preis als Qualitätsübersetzung erhältlich ist. Und was machen die Übersetzer dann, fragt die Jobmoderatorin in die Runde. Einer der Übersetzer murmelt in seinen Bart: Sie gehen nochmal mit dem Preis runter und unterbieten sich selbst.
Die anderen Übersetzer hören gespannt zu. Also sind Übersetzungskunden bei billigen Übersetzungen also skeptischer, als wenn die Übersetzung zu einem gehobenen Preis angeboten werden würde. Also geht ein Billigpreis für eine Übersetzung nicht gut mit Qualitätsanspruch zusammen?
Könnte man sagen.
Wenn es schon um niedrig oder hoch geht, was ist denn niedrig und was ist hoch? Eine Übersetzerin schaut forschend um sich. Also mal ehrlich. Jeder schreibt den ehrlichen Betrag pro Wort auf einen Zettel und gibt ihn in die Vase. Ist sie auch leer?
Alle kichern. Sie schreiben die Zahl hinter vorgehaltener Hand auf, falten die zuvor verteilten Zettel und werfen sie in die Vase. Es ist fast wie bei einem Urnengang. Die Zettel werden auf den Tisch gepackt. Jeder darf einen ziehen. Der Übersetzungspreis ist identisch. Jeder hat denselben Preis. Alle schauen sich verdutzt um. Das hätte keiner der Übersetzer erwartet.
Bei Büchern ist der Wortpreis bei mageren 8 Cent pro Wort angekommen. Jeder ist sauer auf den anderen, der die Preise so nach unten getrieben hat.
Aber wen sollte man für die niedrigen Preise für Übersetzungen schelten? Die Kunden, die Buchautoren? Die machen doch nicht die Preise, oder doch?
Jeder Übersetzer geht nach Hause. Er wünschte sich den dreifachen Preis. Gleichzeitig weiß er, welches Übersetzungsangebot zuletzt angenommen wurde.
Es ist auch für Übersetzer verführerisch, einen niedrigen Preis anzugeben, wenn man den Auftrag gerne haben möchte. Und so manches Buch ist es wert, über den Preis zweimal nachzudenken. Es ist verzwickt. Jedes Mal macht der Übersetzer einen Preis, der ihn die Übersetzung mit einem lachenden und einem weinenden Auge machen lässt. Ganz nach dem Motto: Knapp kalkuliert ist die Übersetzung halb gewonnen.
Die Übersetzer schauen auf den Zettel in ihrer Hand und rätseln, wem die Schrift gehört, so als spiele das eine Rolle.
Jeder in der Runde kann sich gewiss sein, ich mache die billigste Übersetzung.
Abends im Bett rauschen die verwirrenden Übersetzungspreise wie Spukgespenster durchs Zimmer. Irgendjemand sollte für vernünftige Preise beim Übersetzen sorgen. Wie wäre es, wenn der Kunde den Preis für sein zu übersetzendes Buch festlegte?